Eine Kreative zwischen Kunst und Design. Glas ist dabei ihre große Leidenschaft! Lea Dievenow in einem sehr persönlichen Gespräch!

KULTUR: Eigentlich sollte dieses Interview schon längst veröffentlicht worden sein. Aber manchmal verhalten sich die Dinge im journalistischen Bereich ähnlich so wie beim Öffnen einer sehr guten Flasche Wein. Ist der richtige Anlass gekommen oder sollte man lieber noch warten. Bei der Künstlerin und Designerin Lea Dievenow und der jetzigen Veröffentlichung ist die Situation durchaus vergleichbar. Immer wieder tauchten gestalterische Facetten und neue Arbeiten von ihr auf, die es wert waren, abzuwarten, um ein einigermaßen greifbares Portfolio zeichnen zu können. Für mich stellten sich schon bei der Ausformulierung der Fragen für unser gemeinsames Gespräch viele Fragezeichen. Ist sie nun Künstlerin? Oder Designerin? Oder beides? Fakt ist: Lea Dievenow ist mit einem großartigen Talent gesegnet.

Glaskunst- Lea Dievenow OBJEKT “DIVE NOW S” 2019
OBJEKT “DIVE NOW S” 2019 Detailansicht
OBJEKT “DIVE NOW S” 2019 Gesamtansicht
Kunstobjekt OBJEKT “DIVE NOW“ 2018

Zuerst nimmt man ihre Arbeiten wahr und ist schon begeistert. Dann taucht man immer tiefer ein und ist fasziniert. Plötzlich befindet man sich in einem Universum großartiger Glaskunst. Angesiedelt zwischen richtig gekonntem Handwerk, schöpferischer Kunst und konzeptionellem Design. Dabei lebt die Künstlerin und Designerin nicht in Padua, Venedig oder Mailand, wo man solche Menschen nun mal erwartet, sondern im beschaulichen Ostwestfalen, einer Region im Nordosten von Nordrhein-Westfalen. Ihr Atelier hat sie in der Stadt Vlotho. Ein kleines Refugium, in dem konzentriert das erarbeitet wird, was später als Glas raumfüllend oder architektonisch seinen Platz findet oder einfach nur pure Kunst darstellt. Lea Dievenow arbeitet dabei auf modernstem Niveau: Mit einem 3D-Drucker, 3D Entwurfs-Software sowie ganz handwerklich in der Werkstatt. Kommt man zu ihr, entdeckt man überall Entwürfe und Modelle angedachter oder nicht fertiger Objekte. Im angrenzenden Ausstellungsraum mit reduzierter, fast archarisch anmutender Einrichtung findet man Kunstobjekte aus Glas, die so subtil sind, dass man sich fragt, ob in der Schaffenskraft auch ein Stück Seelenverwandtschaft mit der asisatischen Zenkultur wohl behaftet ist. Ausgebildet wurde sie ganz traditionell in der Glasveredelung.

Die Inspiration findet Lea in der Fotografie, der Malerei, Grafik und Zeichnung. Daraus entstehen dann Kunstwerke, für den öffentlichen oder privaten Raum. Mal als Kunst. Mal als architektonisches Statement oder als subtiles Kunstwerk aus Glas einfach nur für die Sinne. Parallel dazu werden auch andere Materialien mit eingebunden wie Metall, Stein, Kunstharz oder Holz. Alles scheint möglich zu sein und die Auflistung bisheriger Arbeiten wäre nur eine Auflistung faktischer Daten, ohne dabei die Qualität nur annähernd zu treffen. Zwischen 2012 und 2015 absolvierte sie ein Studium zur Projektgestalterin an der Akademie Gestaltung in Münster, 2014 erfolgte ein Stipendium als Studienreise nach Japan und ein Praktikum beim Glasstudio AZ-Crew Tokio und es folgten weitere Stationen. Eines ihrer aktuellen Arbeiten ist das neue Kirchenfenster der Christuskirche Ahaus. Ein Entwurf, der das Christliche Kreuz als zentrales Element erkennen lässt und den Entwurf prägt. Gleichermaßen prägend ist auch der textile Faltenwurf des Glases.

Fast surrealistisch erscheinend und mit einer zurückhaltenden Stärke im Gesamterscheinungsbild. Das Fenster hat etwas Stilbildendes, welches die Christuskirche neben dem Sakralen als sehr modern ausweist. Eine Arbeit, die nicht nur viel Zeit im Entwurf und in der Ausführung gekostet hat, sondern auch in der Entwurfsphase eine tiefe Recherche über die Stadt bedeutete.

Glaskunst-Arbeitsprozess
Glaskunst-Arbeitsprozess Kirchenfenster
Glaskunst-Arbeitsprozess Kirchenfenster

Aber nun zum Interview:
Ich habe mich mit Lea unterhalten dürfen und Fragen gestellt, die gestellt werden mussten!

Michael Hiller

Lea, du hast im August in Ahaus das Kirchenfenster der „Christuskirche Ahaus“, welches nach deinem Entwurf  mit dir zusammen gefertigt wurde, einweihen dürfen. Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ahaus. Ein außergewöhnliches Projekt. Erzähl, um was geht es? Wie kam es zu dem Projekt?

Lea Dievenow 

Ja, für mich ist es auch außergewöhnlich, weil ich zum Lösen dieser Aufgabe neue Wege gehen musste. Die Kirchengemeinde Ahaus wollte ihr prägnantes Rundfenster erneuern. Hierzu wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Zu meiner großen Freude hat sich die Jury für mein Konzept und meinen Entwurf entschieden. Das Rundfenster der Christuskirche Ahaus ist kein gewöhnliches Kirchenfenster. Axial oberhalb des Kirchenportals ist eine kreisrunde Öffnung mit einem Durchmesser von 220 cm. Zurzeit ist diese Öffnung mit einem Stahlrahmen und gelbem Ornamentglas ausgestattet. Das Fenster ist ausschließlich von außen sichtbar. Aus dem Kircheninnenraum wird der Blick auf das Fenster durch die Orgel verdeckt. Glas kann seine Schönheit am besten mit Hilfe von Licht entfalten! Idealerweise mit Durchlicht! Die örtliche Situation an der Orgel auf der Rauminnenseite verhindert ein Spiel mit eben diesem Durchlicht. Diese besondere Einbausituation verlangte nach einer raffinierten Lösung. Mit der Auseinandersetzung mit der kirchlichen Geschichte der Gemeinde einerseits und mit der Geschichte der Stadt Ahaus andererseits ist mir ein verbindendes Element aufgefallen. So was die Gründung der evangelischen Kirchengemeinde Ahaus in der Blütezeit der Jute- Textilindustrie. Somit schlägt die Jute die Brücke zwischen der Stadt Ahaus und der Kirchlichen Gemeinde.

Vor meinem geistigen Auge entstand ein Fenster aus gewebter Jute mit Faltenwurf.

Um diese Symbolik aufzugreifen habe ich eine Glasstruktur entwickelt, die wie gewebte Jute wirkt. Durch einen rückseits angebrachten Spiegel im Fenster wird dieser Effekt ausgearbeitet und betont. Zusätzlich bekommen wir durch den Spiegel unabhängig vom Durchlicht eine brillante Auflicht- Situation, die sowohl bei Tages – als auch bei Nachtlicht in Addition mit der Dimensionalität des Entwurfs wirkt. Um diese Brillanz zu verstärken soll ein Spotlight nachts auf das Fenster gerichtet werden. Der Fensterrahmen stellt ein geschwungenes Kreuz da, der als „Wege zu Gott“ zu verstehen ist. Diese führen allen äußeren Einflüssen und inneren Ungewissheiten zum Trotz durch Höhen und Tiefen sowie über Berge und durch Täler. Nach vielen Stunden in der Werkstatt wurde es dann sehr spannend Anfang August, als das fertige Kunstwerk schließlich eingebaut wurde.

Michael Hiller

Bist du dort die Künstlerin oder eher die Designerin? Oder beides?

Lea Dievenow 

Selbst sehe ich mich bei dem Projekt als Künstlerin. Die Idee, ein Fenster aus einem riesigen gefalteten Textil aus Glas zu erschaffen, ist schon etwas verrückt. Unabhängig davon, ob es gelingen würde oder nicht, gab es die Vision in meinem Kopf, die unbedingt umgesetzt werden wollte. Um die Ecke zu denken und die scheinbaren Grenzen des Materials in der Umsetzung zu Umgehen und eine passende Lösung zu finden. Dieses ist ein Aspekt, den ich so unglaublich liebe, zu sehen, wie eine verrückte Idee Realität wird.

Es gibt aber auch Projekte, bei denen stärker die Designerin in mir durchkommt. Z.B., wenn ich für Projekte im Interiorbereich spezielle Material-/ und Gestaltungslösungen erschaffe. Hierbei gibt es eine Vorstellung/eine Idee vom Bauherrn oder auch dem Architekten. Gezielt erarbeite ich hierzu Möglichkeiten an einem enger gesteckten Rahmen für die Lösung. Mein Anspruch an mich ist ein ästhetisches, aber auch zugleich funktionales Ergebnis. Kleine Details runden es ab.

Wenn man sich länger mit deiner Frage auseinandersetzt, fällt ganz schnell auf, dass es schwierig ist, eine feste Grenze zu setzen.

So wäre mein Resümee, dass in mir zwei Herzen schlagen. Die Künstlerin bedient sich der Designerin und umgekehrt. Die Idee zu haben, ist eine Sache, jedoch die Idee in die Praxis umzusetzen, so dass sie technisch funktioniert und im Detail stimmig wirkt, ist die Kerndisziplin. Ich glaube also, dass es unglaublich wichtig ist, hier eine Brücke zu schlagen.

Michael Hiller

Gibt es für dich eine Trennung zwischen Design und Kunst? Oder sind das nur rhetorische Unterschiede für dich?

Lea Dievenow 

Tendenziell würde ich sagen, dass sich beide Aspekte gegenseitig bedienen. Die Kunst ist an sich noch etwas freier und hängt sehr stark mit dem Inneren der schaffenden Person zusammen. Beim Design spielt sich noch etwas stärker der Aspekt der Brauchbarkeit und Funktionalität aus. Jedoch zeichnet sich meiner Meinung nach eine gute Gestaltung durch einen raffinierten künstlerischen Ansatz aus, das Experimentieren mit dem Material, das Neuergründen der Pfade, die noch nicht gegangen sind. Dieses sind aber auch alles Aspekte, die ebenso auch in der Kunst sehr wichtig sind.

Michael Hiller

Viele Künstler sind ja sehr empfindlich, wenn man sie u.a. als Designer sieht bei bestimmten Projekten. Aber du bist ja ganz offensichtlich auch als Designerin unterwegs. Ist die Künstlerin und die Designerin für dich gleichermaßen wichtig?

Lea Dievenow 

Es sind beides Begriffe, die versuchen, eine unglaubliche Weltoffenheit, eine Flexibilität, einen Anspruch an die eigene Arbeit, eine unerschöpfliche Kreativität, ein Um-die-Ecke- Denken, eine Vielseitigkeit, das innere Feuer in einem, die Hingabe und sicher auch die Leidenschaft für die Dinge, die einen bewegen, zu beschreiben. Das, was hinter beiden Begriffen steht, ist also sehr ähnlich. Ich selbst liebe die Kombination beider Bereiche. Und das, was sicherlich zählt, ist: Wie sieht man sich selbst?

Michael Hiller

Manchmal sind deine Objekte 2-dimensional, häufig aber auch 3–dimensional. Als Designerin arbeitest du beispielsweise mit Architektinnen oder Architekten zusammen. Beispielsweise bei der Ausgestaltung von Kirchenfenstern. Das ist grafisch eine 2–dimensionale Arbeit. Ist die 3–Dimensionalität dann eher die Domäne von der Künstlerin Lea?

Lea Dievenow 

Das würde ich nicht unbedingt so sagen. Dann würdest du auch infrage stellen, dass gemalte 2-diminsionale Bilder keine Kunst sind.

In den Kirchenarbeiten sehe ich mich als Künstlerin. Aus eigenen Malereien, die auf Papier oder Leinwand entstehen, transformiere ich Elemente, Strukturen und bilde ganz freie Arbeiten für die Raumsituation. Zu meinem großen Glück bekomme ich das Vertrauen der Gemeinde/Planern geschenkt, ganz frei arbeiten zu können. Hierzu gehören für mich die Konzept- Entwicklung mit passendem Thema und die daraus entstehenden Entwürfe. Ich entwickle aus meinem inneren Gefühl mit meinen Eindrücken das Bild.

Die 3-Dimensionalität ist zu meinem Portfolio als Künstlerin dazugekommen. Mit den farbigen Flächen wollte ich schon länger den Raum ergreifen. Auf eine Art und Weise habe ich dieses auch immer gemacht mit Bezug zum Raum. Physisch wollte ich jedoch nun den Raum ergreifen! Die Bildhauerei faszinierte mich schon als Jugendliche. Für mich habe ich jedoch eine eigene Sprache gesucht, um das Thema zu ergreifen. Seit ungefähr zwei Jahren arbeite ich nun auch in einer weiteren Dimension mit den Themen Addition, Spiegelung, Farbe und Tiefe. Die Objekte sind zu Herzensstücken geworden, in die ich vollkommen versinken kann, wenn ich sie entstehen lasse. Es ist wie eine Sucht das Thema noch tiefer zu ergründen. Das vollkommene Eintauchen und Versinken.

Michael Hiller

Wo steht hier in Deutschland die Glaskunst? Schon dicht an der bildenden Kunst? Oder ist es sogar schon bildende Kunst? Oder eher Bildhauerei?

 Lea Dievenow 

Glas ist sehr vielseitig! Laut Lexikon ist Glas ein typisches amorphes Material. Es kann also die unterschiedlichsten Gestalten annehmen. So kann man das Material abgewandelt in den unterschiedlichsten Bereichen entdecken. Ob in der Bildhauerei, der bildenden Kunst, aber genauso gut in der Performance-Kunst. Es kommt immer darauf an, was man aus den Dingen macht!

Michael Hiller

Viele deiner Arbeiten sehen so aus, als hättest du mit „Glas gemalt“. Wie deine Glasarbeiten in den Behandlungsräumen eines Nuklearmediziners in Braunschweig. Eine fantastische Arbeit. Wie gehst du an so ein Werk heran? Wie sieht das Briefing aus?

Euradia Nuklearmedizin Wartebereich-Glasgestaltung
Euradia Nuklearmedizin Wand-und Glasgestaltung

Lea Dievenow 

Ganz am Anfang besteht meist der Wunsch, den Raum zu verändern und ein Highlight zu setzen. Hierzu treten die Entscheider an mich heran. Ich schaue mir die Räumlichkeiten an und lasse alles auf mich wirken. Gemeinsam schaut man welche Wünsche für den Raum bestehen. Z.B. hell und offen, freundlich…oder auch, wie in diesem Fall der Nuklearmedizin Praxis in Braunschweig, mit der Idee, die Nuklearmedizin künstlerisch darzustellen.

Hierbei entsteht zu Anfang bei mir die Frage: Was deckt die Nuklearmedizin ab und was steckt hinter der Nuklearmedizin? Nach einer ausführlichen Recherche versuche ich, auf Papier künstlerisch Strukturen zu finden, die mit dem Thema in Verbindung stehen. Aus dieser Arbeit entwickle ich meine Entwürfe mit entsprechender Visualisierung. Eine Präsentation folgt anschließend. Wenn alle mit der Idee zufrieden sind, kann die Umsetzung geplant werden. Hierbei gibt es die unterschiedlichsten Varianten, je nachdem, wie der Entwurf in der Darstellung ist, eignen sich einige Techniken besser als andere an.

Durch den sehr hohen malerischen Anteil im Entwurf wurde auch wirklich „gemalt“.  Die Transparenz von Glas ermöglicht das Auftragen unterschiedlichster keramischer Brennfarben auf das Glas nach einer Vorlage (die unter dem Glas liegt). Die unterschiedlichen Bearbeitungsebenen bringen Tiefe in die Arbeit. Etliche Schichten von Glasmalfarbe werden im Ofen bei ca. 610°C mehrere Stunden eingebrannt. Danach entfalten sie ihre unglaubliche Strahlkraft und sind beständig in das Glas gebrannt. Zum Schluss werden alle Gläser noch einmal kritisch kontrolliert und dürfen danach ihren Platz im Raum finden.

Michael Hiller

Die Kirche Greven ist weiteres Beispiel für die Filigranität deiner Arbeit, deiner Kunst. Großflächig und gleichermaßen subtil fein gezeichnet. Wieviel Zeit nimmt so eine Entwurfsphase in Anspruch? Fängst du mit dem Bleistift an?

Lea Dievenow 

Es kommt immer drauf an, was mich gerade inspiriert und wo. Wie sagt man so schön? Man wird von der Muse geküsst. Wie lange man dafür braucht, dass man „geküsst“ wird ist ganz unterschiedlich. Wenn ich die Idee im Auto habe, fahre ich meistens schnell ran und skizziere sie in meinem kleinen Heft mit Bleistift und entsprechender Notizen. Ein anderes Mal fange ich auch mit Wasserfarbe an. Einen festgesetzten Weg gibt es in dem Sinne nicht. Dafür sind die Projekte viel zu unterschiedlich und vielseitig. Das ist aber auch der Reiz daran.

Michael Hiller

In den letzten Monaten hast du ja auch viele freie Objekte entwickelt. Wie OBJEKT „CRYSTAL DRUSE“ 2018 oder OBJEKT “DIVE NOW” 2018 35X35X35CM. Arbeiten mit bestechender Tiefe und Dreidimensionalität. Beginnst du mit solchen aufwendigen Plastiken aus Glas auch am Rechner? Und kann so etwas parallel zu deinen anderen Arbeiten laufen? Ich kann mir vorstellen, dass unheimlich viel Zeit in so ein reines Kunstobjekt fließt.

Lea Dievenow 

Diese Arbeiten sind ganz stark aus dem Prozess heraus entstanden. Hierbei kann ich mir nicht unbedingt vorstellen, wie ich am Computer jeden einzelnen Glasstab setze und ihn dann identisch in die Realität setze. Allein die Arbeit ist wirklich vielseitig und komplex. Je nachdem mache ich ein grobes Rendering am Computer, um die Proportion von Form, Größe und Podest festzulegen. Ich würde es etwas anders formulieren, es braucht das parallele Arbeiten an den unterschiedlichsten künstlerischen Projekten. Das Zurücktreten, das Betrachten, das Wahrnehmen der Wirkung sind ganz elementar in der künstlerischen Arbeit. Erst dann kann man sehen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Und ja, das braucht seine Zeit. Ein umso schöneres Gefühl, wenn die Arbeit vollendet ist. Unbeschreiblich, wenn symbolisch „der Berg“ bestiegen ist.

Michael Hiller

Eigentlich ist es ja eine designerische Herausforderung. Aber auch parallel eine künstlerische, oder?

Lea Dievenow 

Die Herausforderung im Design steckt in der Konstruktion des Podests. In der passenden Materialität und der zurückhaltenden Gestaltung. So, dass das Kunstwerk für sich wirken kann.

Michael Hiller

Dein Atelier gleicht eher einer Werkstatt als einem reinen Atelier. Was unmittelbar den Schluss zulässt, dass du auch eine richtig gute Handwerkerin sein musst. Gelernt hast du ja die ganz klassische Glasveredelung. Also du kennst alles von der Pike an. Das heißt, Glaskunst, wie du sie betreibst, geht nur mit dem tiefen Wissen von der Beschaffenheit des Glases. Besser gesagt, du verstehst die Seele des Glases durch deine sehr spezielle Ausbildung.

 Lea Dievenow 

Sicher hast du recht, ich liebe einfach Maschinen, sie eröffnen mir weitere künstlerische Möglichkeiten. Mir ist bewusst, dass für mich das beherrschen des Handwerks an sich die Grundlage ist. Und dafür bin ich sehr dankbar. Glas kann einfach auch wie eine Diva sein. Es braucht bestimmtes Wissen, Fertigkeiten, um das Glas zu bearbeiten. Ich finde, einer Arbeit sieht man an ,ob sie „rund“ in allen Belangen ist. Und dazu gehört eben auch die richtige Umsetzung.

Michael Hiller

2012 bis 2015 hast du ein Studium zur Projektgestalterin an der Akademie Gestaltung in Münster absolviert. Und dann 2014 ein Stipendium in Form einer Studienreise mit dem Studienwerk für Deutsch-Japanischen Kulturausgleich in NRW nach Japan bekommen. Das Praktikum hast du in dem japanischen Glasstudio AZ Crew in Tokio absolviert.

Wie hat dich das geprägt? Deine Zeit an der Akademie und dann in Tokio.

Lea Dievenow 

Der  Titel hört sich etwas hölzern an. Um es etwas genauer zu beschreiben: Ich habe ein Designstudium an der Akademie mit dem Schwerpunkt, Produkt- und Raum-Design abgeschlossen. Die Akademie war sehr prägend für mich.

In der Zeit meines Studiums bin ich Schritt für Schritt gewachsen und konnte andere Materialen in ihren Grundstufen, wie Holz, Metall, Kunststoff, Stoff und vieles mehr kennenlernen. Dieses half mir, mich vom Glas zu lösen und auch andere Denkprozesse anzustoßen. Von diesem Wissen profitiere ich noch immer. Heute genieße ich es, zu meinen Wurzeln zurückgekommen zu sein und ein anderes Auge auf das Glas zu haben.

Die japanische Architektur und das japanische Design waren für mich schon immer spannend. Währenddessen setze ich mich z.B. mit Tadao Ando und der „light of church“ von ihm auseinander.

Umso schöner war es, als ich für dieses großartige Stipendium vom Studienwerk ausgewählt wurde. Noch heute hängt eine künstlerische Arbeit von mir in Tokyo. Allein die vielseitige Kultur, die Mentalität, das Essen, aber auch ganz stark die Kontakte vor Ort haben mir einen weiteren Horizont gegeben. Es war die intensivste Zeit, die ich je erleben durfte!

Michael Hiller

Glaskünstler sind ja eine, so kommt es mir vor, sehr eingeschworene Gemeinschaft. Manchmal eigenbrötlerisch und sehr in sich gekehrt. Bildende Künstler mögen vielfach dagegen die große, opulente Geste. Würdest du dir wünschen, dass Glaskunst manchmal etwas mehr Selbstbewusstsein bekommen müsste? Oder ist diese Kunstform genauso richtig wie sie ist?

 Lea Dievenow 

Offen gesagt gehe ich eher meinen eigenen Weg und habe so nicht unbedingt die Klischees vor Augen. Ich habe viele tolle Künstlerkollegen bunt gemischt aus allen Kunstformen, die ich unglaublich schätze, und wenn ich mal einen Rat brauche, kann ich immer anrufen, genauso wie sie mich auch anrufen können.

Michael Hiller

Dein Atelier befindet sich im ostwestfälischem Vlotho. Irgendwo zwischen Hannover und Bielefeld. Eher ein besinnlicher Ort. Oder genau richtig für die subtile Erschaffung deiner Objekte und Projekte?

Lea Dievenow 

Bei der vielen Zeit, die ich durch meine Projekte in Deutschland unterwegs bin wie z.B. in Hamburg, Hannover, Köln, Bayern… schätze ich es, mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können im Atelier. Natürlich ist aber auch die Natur hier ein Traum.

Michael Hiller

Besucht man deine Homepage, sieht man die vielen Erfolge, die du in den letzten Jahren dir erarbeitet hast. Du hast richtig Gas gegeben. Betrachtet man deine Arbeiten jetzt, stellt man eine hohe Balance kreativer Entwurfsphase und handwerklicher Umsetzung fest. Eigentlich arbeitest du ja wie ein italienischer Renaissance-Künstler. Werkstatt und Atelier zugleich und dann die Umsetzung in der Architektur. Passt so eine Umschreibung zu dir?

Lea Dievenow 

Für Umschreibungen anderer bin ich immer offen. Mich selbst beschreiben zu müssen, da halte ich mich lieber zurück. Das, was mir einfach am Herzen liegt, ist die Leidenschaft zu meinen Projekten! Gerne würde ich noch ein paar mehr Arbeiten online zeigen, hierbei liegt mir jedoch die Privatsphäre der Bauherren am Herzen. Es gibt bald aber wieder neue Arbeiten online, z.B. durfte ich mit der Gemeinde der Johanneskirche in Emden erst kürzlich das neue Tauffenster einweihen. Darüber hinaus habe ich mich zusätzlich dort mit dem Thema „Paramente“, also kirchlichen Textilschmuck auseinandergesetzt und neue Paramente für das Rednerpult entworfen. Das Grüne Parament hat schon seinen Platz gefunden. Die anderen vier Schmuckstücke werden momentan gefertigt und finden im Laufe des Kirchenjahres ihren Platz.

Michael Hiller

Du arbeitest ja mittlerweile auch mit 3-D- Software und 3-D-Drucker. Die Visualisierung geht dadurch wahrscheinlich auch viel schneller? Glaskunst ist mittlerweile in der Erschaffungsphase auch digital geworden. Verändert das deine Möglichkeiten?

Lea Dievenow 

Je nachdem, was ich verfolge oder ich im Kopf habe, bediene ich mich gern den unterschiedlichsten Techniken. Hierbei liebe ich den Mix von traditionellen- und neuen Techniken. Es ermöglicht mir einfach, ganz neue Lösungsansätze für die vielseitigen Projekte/Objekte zu finden. Es geht mir nur bedingt um die Geschwindigkeit, das Ergebnis ist das, was mich interessiert.

Michael Hiller

Was ist deine Vision für die nächsten 5 Jahre? 

Lea Dievenow 

Gefühlt weiß ich gar nicht, wo die Zeit bleibt. Die letzten 5 Jahre waren schon unglaublich. Für die nächsten 5 wünsche ich mir, mich internationaler weiterzuentwickeln und tolle Projekte im In- und Ausland umzusetzen.

Michael Hiller

Danke dir für dieses aufschlussreiche Gespräch. Und sag mir bitte, wenn es was Neues gibt.

Lea Dievenow 

Ich danke dir! Schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Natürlich halte ich dich gerne auf dem Laufenden.

 

Autor Michael Hiller

vdm

Fotos: Lea Dievenow

www.glaskunstwerke.de

 

 

 

 

 

 

 

 

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