Unverwechselbares schaffen

Ein Interview mit Gunter Fleitz und Peter Ippolito von der Ippolito Fleitz Group, Stuttgart, über Markenarchitektur, Identität und verschmelzende Lebenswelten.

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Gunter Fleitz and Peter Ippolito Copyright: Ippolito Fleitz Group

Herr Fleitz, Herr Ippolito, Sie haben für die imm cologne 2015 wie auch 2014 den Messestand für Walter Knoll gestaltet. Generell: Was sind die vorrangigen Kriterien, um die Markenphilosophie eines Unternehmens in einem Messestand zum Ausdruck zu bringen?

Gunter Fleitz: Dafür haben auch wir kein Universalrezept. Messen sind akustisch wie visuell laut: Eine Flut von Markenauftritten ergießt sich über die Besucher. Hier gilt es zunächst aufzufallen und hinterher in Erinnerung zu bleiben. Markenbotschaften sind sehr komplex. Diese Komplexität gilt es zu bündeln und in ein eingängiges, merkbares Bild zu übertragen. Hilfreich ist es, wenn man die Besucher überraschen kann, ihnen ein Erlebnis bietet. Wir versuchen dann immer, quer auf die Marke zu schauen, um sie neu und frisch zu präsentieren. Dieses „neu sehen“ muss nicht permanent, sollte aber periodisch passieren.

Zuvor haben Sie bereits den neuen Showroom von Walter Knoll in Herrenberg realisiert. Inwieweit übersteigen Projekte dieser Art für einen Hersteller die Frage nach räumlicher Gestaltung und Produktpräsentation? Wie findet die Zusammenarbeit statt?

Peter Ippolito: Wenn man für einen so renommierten Hersteller im Einrichtungsbereich Räume entwerfen soll, ist das natürlich ein intensiver Prozess. Wir haben viel kommuniziert und diskutiert – und das über einen langen Zeitraum. Der erste Output war dann der Showroom in Herrenberg. Dieser war sozusagen die Blaupause der neuen Markenarchitektur, die definiert, wie sich Walter Knoll zukünftig am POS präsentiert. Da nehmen natürlich viele Faktoren Einfluss: Markenbild, Visionen, Vertriebspolitik, die Geschichte der Marke. Insofern bedeutet eine Veränderung im Auftritt nach außen auch einen tiefgreifenden Wandel nach innen.

Im Gastronomiebereich arbeiten Sie mit Restaurantketten wie WakuWaku oder holyfields zusammen, bei denen es immer auch um eine Markenkontinuität geht. Wie findet man hier, aber auch bei Hotels oder Shops, die Balance aus Identität des Einzelstandorts und Gesamtmarkenauftritt?

Peter Ippolito: Die Balance entwickelt sich aus dem Konzept. Dabei spielt es eine große Rolle, was die Marke braucht und was ihr angemessen ist. Ist sie auf Wiedererkennbarkeit ausgerichtet, wie beispielsweise holyfields, wird das Grundsystem stark ausdefiniert und lediglich an wechselnde Grundrisse angepasst. Andere Konzepte erlauben und verlangen wiederum ein höheres Maß an Individualisierbarkeit. Die Hotelkette Motel1 integriert beispielsweise an ihren Standorten regionale Themen und Motive in die Wandabwicklung. Oder denken Sie an Aesop; dort ist die Gemeinsamkeit, dass kein Shop dem anderen gleicht. Letztendlich ist es natürlich auch eine Frage der Geschwindigkeit und der Größe des Roll-outs. Bei einem unserer Chinaprojekte konzipieren wir gerade einen Roll-out für über 100 Läden, da muss natürlich stark standardisiert werden.

Sie sind auch im Bereich Wohnen tätig. Welche Rolle spielen Identität und das Denken in ganzheitlichen räumlichen Zusammenhängen im Privaten?

Gunter Fleitz: Das Wohnen sehen wir als den intimsten Moment der Identitätsarchitektur. Unsere Kunden wollen sich wohlfühlen und trotzdem mit ihren privaten Räumen auch repräsentieren. Gleichzeitig verschmelzen die Lebenswelten: Arbeitswelten werden wohnlicher und Wohnräume werden beeinflusst von Hotel- und Gastrowelten oder Retailinszenierungen. Viele Kunden zeigen uns Fotos von solchen Orten, die sie in Magazinen gesehen oder selbst aufgenommen haben. Design ist praktisch überall verfügbar, wird aufgesogen und prägt unsere Wahrnehmung, unsere Erinnerungen. Es gilt, jenseits dieser konsumierten Bilder etwas zu finden, das im intimsten Bereich etwas Unverwechselbares schafft. Hier hilft uns unter anderem unser interdisziplinärer Ansatz. So setzen wir gern Grafiken als raumbildende Elemente ein, die unsere Kommunikationsabteilung für uns entwickelt.

Profil
Gunter Fleitz und Peter Ippolito führen seit 2002 die Ippolito Fleitz Group in Stuttgart. Als international tätiges, multidisziplinäres Studio für Gestaltung verstehen sie sich als „identity architects“. Die Arbeiten der Ippolito Fleitz Group in und zwischen den Feldern Architektur, Interior, Landschaftsgestaltung, Produktdesign und Kommunikation wurden international publiziert und erhielten bisher rund 200 Auszeichnungen.

www.ifgroup.org

imm Köln

Michael Hiller

 

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