Ein Interview mit den französischen Designstars Erwan und Ronan Bouroullec über die Messe als Treffpunkt, richtige Antworten und die Herausforderungen des Contract Business.
Erwan und Ronan Bouroullec, die imm cologne ist nicht nur eine Handelsmesse, sondern auch ein Ort, an dem man sich trifft, die neuesten Trends hautnah erlebt, über Designphilosophien debattiert und diese untereinander austauscht. Wie wichtig ist der regelmäßige Austausch mit Designerkollegen und Herstellern für Sie?
Für uns als Designer besteht der besondere Reiz einer solchen Veranstaltung tatsächlich darin, ‚echte Menschen‘ zu treffen – Zwischenhändler, Vertriebler und Personen, die erst in der zweiten Lebensphase eines Produkts aktiv werden. Gerade diese Gespräche sind besonders wichtig. Nur so können wir verstehen, wie die Leute das, was wir entwerfen und präsentieren, aufnehmen. Während der Messe sammeln wir eine Menge Informationen, mit denen wir unserem Produkt den letzten Schliff geben können. Sie sind in vielen Tätigkeitsfeldern aktiv.
Gibt es eine gemeinsame Designphilosophie, die diesen Feldern gemeinsam ist?
Es ist eher eine Frage der Methode als der Philosophie. Eine wichtige Facette hat mit dem zu tun, was man als ‚der Realität ins Auge sehen‘ bezeichnen könnte. Die meisten unserer Designs beruhen auf der Verwendung nur weniger Materialien, weniger Details und weniger Worte. In jedem Detail versuchen wir, die von uns getroffenen Entscheidungen zum Ausdruck zu bringen und hervorzuheben. Ein großer Teil unserer Herangehensweise besteht darin, einen Weg zu finden, mit Technik tatsächlich zu arbeiten und etwas zu erschaffen. Dabei möchten wir Technik und Details verbessern. An unserem Objekt soll sichtbar sein, wie es hergestellt wurde. Uns kommt es dabei vor allem auch auf eine gewisse Ergonomie an. Für uns hat Ergonomie dabei nicht so sehr mit dem Körper zu tun, sondern vielmehr mit einer bestimmten Kultur, der menschlichen. Es ist dieses Quäntchen, das entscheidet, ob man sich etwas wohler oder etwas weniger wohl fühlt. Das bedeutet, dass es eine enge Verbindung zwischen Ergonomie und dem Konstruieren gibt. Die meisten konstruktiven Details stehen in Bezug zu einer Kultur, die keiner mehr erlernen muss. Heutzutage wird einem nicht mehr erklärt, warum Leinen in einer bestimmten Weise genäht wird oder warum die Beine eines Stuhls einen bestimmten Winkel haben. Es sind einfach Teile der Wirklichkeit, die sich über Jahrhunderte der Logik entwickelt haben und am Ende zu einer bestimmten Antwort geführt haben. Man sollte sich den Moment, in dem eine technische Antwort ‚richtig‘ wird, unbedingt klarmachen. Wenn eine technische Antwort richtig ist, ist die dahinterstehende Kultur meist universell.
Wie wichtig ist das Contract Business für Ihre Arbeit?
Sehr wichtig. Allerdings ist dieser Markt hier in Europa etwas schwierig, da wir Vorschriften für ziemlich alles haben. Manchmal führt dies auch dazu, dass sich Dinge in die falsche Richtung entwickeln. Außerdem ist der Markt hart umkämpft. Es ist nicht gesagt, dass sich gutes Design hier immer durchsetzt. Das Contract Business macht einen großen Anteil unserer Arbeit aus, auch wenn es dieser Umstand uns nicht immer leicht macht.
Unterscheiden Sie zwischen dem Design für spezifische architektonische Kontexte und dem Design für Massenprodukte?
In Hinblick auf den Designansatz unterscheiden wir hier kaum. Der wirkliche große Unterschied liegt darin, dass Wohnräume mit großer Diversität gestaltet sind, da sie in der Regel nicht auf einmal eingerichtet werden. Beim Contract Business ist es umgekehrt. Der Raum ist leer und muss, kurz gesagt, an einem Tag gefüllt werden. Antworten müssen in einem System gefunden werden. Die Lösungen müssen auf verschiedene Situationen anwendbar sein.
Wo liegen in näherer Zukunft Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für Ihre Arbeit?
Wir sehen einen wachsenden Bedarf daran, Materialien und Techniken besser sichtbar zu machen. Viele Menschen haben das allgemeine Bewusstsein dafür verloren, aus was und wie Dinge gemacht werden. Nur mit diesem allgemeinen Bewusstsein können jedoch Antworten auf einige der wichtigsten gesellschaftlichen Fragen gefunden werden. Es geht um Ökologie und Ökonomie und wie die beiden zusammenhängen. Genau diesen Aspekt möchten wir erreichen: Respekt für und Verbesserung von Techniken sowie eine gewisse Wahrhaftigkeit in der Art und Weise, wie Dinge gemacht werden. Zu viele Dinge geben vor etwas zu sein, was sie nicht sind. Im Endeffekt hilft das niemandem dabei, die Welt zu verstehen. Im zeitgenössischen Design ist es besonders wichtig, eine gewisse Klarheit, eine gewisse Ehrlichkeit zu vermitteln.
Profil
Ronan Bouroullec (Jahrgang 1971) und Erwan Bouroullec (Jahrgang 1976) gehören zu den renommiertesten Designern der Welt. Von Paris aus haben sie bereits mit einer Vielzahl internationaler Hersteller an einem breiten Spektrum an Projekten, Objekten und Innenräumen zusammengearbeitet. Ihre Arbeiten haben mehrfach internationale Preise gewonnen und wurden in verschiedenen Ausstellungen gezeigt, darunter auch im Design Museum in London, dem MOCA in Los Angeles, dem Centre Pompidou in Metz sowie im Arts Décoratifs in Paris.
Die Designarbeiten der Bouroullecs haben Eingang in die Ausstellungen ausgewählter Museen auf der ganzen Welt gefunden, darunter auch das Musée National d’Art Moderne – Centre Pompidou, das Museum of Modern Art in New York sowie das Design Museum in London.
www.bouroullec.com
imm Köln