Japanische Ästhetik: Ein Interview mit dem japanischen Architekten Bunzo Ogawa zu „primitiver“ Architektur und der Bedeutung des öffentlichen Bewusstseins für die Gestaltung des städtischen Raums

Bunzo Ogawa, viele Ihrer Projekte sind betont klar in ihrer Formensprache, beinahe skulptural. Aus westlicher Sichtweise erscheint Ihr Umgang mit Materialien und Licht etwas ganz eigentümlich „Japanisches“ zu haben. Würden Sie dem zustimmen? Sehen Sie Ihre Arbeit in einer japanischen Tradition?
Ja, ich stimme zu. Ich denke, ich habe ein klares Gespür für japanische Ästhetik. Beispielsweise in Bezug auf Naturlandschaften oder die Linienführung traditioneller Gebrauchsgegenstände. Das wichtigste Element in meinen Entwürfen aber ist das Konzept der „primitiven“ Architektur. Daher kreisen meine Gedanken auch immer um Dinge wie das Licht der Sonne, die Luft, Erde, Schwerkraft, die menschliche Wahrnehmung …

Sie haben eine Zeit lang in London studiert und gearbeitet. Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen England und Japan, was urbane Lebensweisen und die damit jeweils verbundene Architektur anbelangt?
Ich glaube, dass die meisten Menschen in Japan kein besonders stark ausgeprägtes Bewusstsein für Architektur und die Gestaltung des städtischen Raums besitzen – obwohl es ja eine Vielzahl neuer Gebäude und Raumgestaltungen in Japan gibt. Die Menschen in England haben dieses Bewusstsein für Architektur und urbane Räume – aber es gibt nur wenig neu Gebautes.
Sie haben mit Ihrer Entwurfsreihe für öffentliche Toiletten überrascht. Obwohl es in Japan kein ausgeprägtes Bewusstsein für Architektur geben mag, wie Sie sagen, scheint es also doch Möglichkeiten zu geben, gutes Design auf kleinere, oftmals vernachlässigte Objekte im Gefüge der Städte anzuwenden.
Ich denke, die Toilettenserie ist ziemlich einzigartig, nicht nur in Japan, sondern weltweit. Nach der Wahl eines neuen Bürgermeisters hat die Stadt Hiroshima das Projekt aber leider eingestellt. Ich glaube, dass wir Architekten mit unseren Entwürfen und Projekten versuchen müssen, die Menschen zu erreichen, zu ihnen durchzudringen. Und ich hoffe sehr, meinen Beitrag zu einer Veränderung im Bewusstsein der Menschen in Japan leisten zu können. In Zukunft würde ich den Schwerpunkt meiner Arbeit gerne von kleineren hin zu größeren Projekten verlagern.
Wie wichtig sind Innengestaltung und Möbel für Ihre Entwürfe? Entwerfen Sie auch die Möbel, um eine insgesamt stimmige Atmosphäre zu schaffen?

Ja. Ich möchte den gesamten für uns sicht- und erlebbaren Raum gestalten. Das heißt daher, dass die Möbel ein zentrales Element in meinen Entwürfen sind.
Sie sagten gerade, dass Ihre Arbeit in Zukunft eine etwas andere Dimension annehmen könnte. Auf welche Art von Projekten würden Sie sich besonders gerne konzentrieren?
Ich möchte Gebäude und Räume für viele Menschen, für viel Öffentlichkeit gestalten, zum Beispiel Kirchen.

Profil
Bunzo Ogawa, geboren 1979 in Yamaguchi (Japan), schloss 2003 seine Ausbildung am Shibaura Institute of Technology ab. Im selben Jahr ging er nach London, wo er an der Bartlett School of Architecture studierte und danach für die Ateliers Jean Nouvel arbeitete. Nach seiner Rückkehr nach Japan gründete er im Jahr 2008 sein eigenes Büro Future Studio in Hiroshima, mit einer Zweitniederlassung in Tokio. Bunzo Ogawa war bereits an verschiedenen Institutionen in Japan als Referent und Dozent tätig. Seine Arbeiten wurden international veröffentlicht.
www.futurestudio.jp

imm Köln

vdm Michael Hiller

http://studiomichaelhiller.de/

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1 Comment

  • Japanische Ästhetik hat in meinem Gedanken ihr eigener Platz. Von allem kommen von Bunzo Ogawa gefällt mir die Einrichtung von Light Valley House am besten. Er hat mich während meiner Zeit bei meinem letzten Büroeinrichtungsprojekt inspiriert.

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