Kai Fehler: Grenzgänger zwischen Fotokunst und rationaler Fotografie

KULTUR: Kai Fehler und ich kennen uns schon eine Weile. Genau jetzt ist die richtige Zeit, uns einmal auszutauschen über seine Fotokunst oder die Kunst am Foto.

Er ist gelernter Werbefotograf, Bildbearbeitungsprofi und Grafiker. Und arbeitet als freiberuflicher Fotograf mit dem Schwerpunkt Werbefotografie und entwirft dabei Layouts und Grafiken für Plakate, Flyer und Bücher. Im westfälischen Minden. Gleichzeitig aber neben dem Blick für die rationale Aufgabe ist er einer, der das Foto auch als Kunstform für sich entdeckt hat. Subtile Motive, die schon bei der Auswahl viel Sorgfalt erfordern, um diese dann in weiteren Prozessen zu etwas Besonderem entstehen zulassen.

Kai Fehler:

Ich verwende meine Reisefotografien, um durch differenzierte und aufwändige Bildbearbeitung neue Bilder zu schaffen. Ein wiederkehrendes Thema ist die Pareidolie, d.h. die menschliche Eigenschaft, bekannte Formen wie Gesichter o.ä. in chaotischen Mustern zu erkennen. Beispiele sind hier Figuren in den Wolken, oder die Unmenge an Lebewesen und Artefakten alter Kulturen, die so viele Menschen in den Fotos vom Mars zu erkennen glauben. Dieses Phänomen benutze ich, um verborgene „Dämonen“, wie ich sie nenne, sichtbar zu machen. Jeder Mensch wird in meinen Bildern unterschiedliche Dämonen zu erkennen glauben, vielleicht an Stellen, wo andere keine sehen. Allerdings kann ein Betrachter den anderen auf seine eigenen Dämonen hinweisen, woraufhin auch der zweite diese sieht. Dieser Vorgang ist unmittelbar auf das soziale Miteinander übertragbar. Meine Bilder weisen eine gewisse Symmetrie auf, die aber nur auf den ersten Blick so erscheint. Meine Symmetrie ist nie perfekt und verdeutlicht die vergebliche Suche nach Harmonie. Allerdings wirkt Symmetrie oft langweilig, was bedeuten könnte, daß Harmonie vielleicht auch nicht erstrebenswert ist. Oft ist in den Bildern eine Zweiteilung zu erkennen. Schon als Kind hatte ich die Eigenschaft, immer die zwei Seiten jeder Situation zu sehen. Das kann Fluch oder Segen sein. Einerseits verhilft es mir zu einer gehörigen Portion Empathie, andererseits schwächt es gegen böse Einflüsse, da ich immer auch ihre Sicht der Dinge wahrnehme und damit vielleicht innerlich relativiere.

Michael Hiller (virtualdesignmagazine)

Kai, du bist Werbefotograf und Fotokünstler. Wo beginnt für dich die Grenze zwischen Fotohandwerk und Fotokunst?

Kai Fehler:

Ein Fotograf macht zunächst nichts anderes, als zu versuchen, die Realität abzubilden. Dies gelingt aber in den wenigsten Fällen, da die Realität relativ ist. Der kleine Bildausschnitt und die Statik von Fotos lässt immer eine Interpretation des Bildinhalts zu, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfallen kann.
Allerdings gibt es natürlich Abstufungen. Ein Werbefotograf, der ein beliebiges Produkt fotografiert, bildet die Realität sehr genau ab. Interpretation über das Aussehen des Gegenstands sind eher nicht möglich, aber auch nicht gewünscht. Ein Fotokünstler, was auch immer das heißen mag, bildet eine Situation ab, oder eine Metapher für ein bestimmtes Thema. Seine Bilder sind immer Gegenstand einer Interpretation, was auch gewollt ist. Zwischen diesen beiden Beispielen gibt es natürlich eine Überlappung, die mehr Raum einnimmt, als die beiden Extrema im Einzelnen.

Michael Hiller:

Ein sehr gut gemachtes Werbefoto kann auch schon Fotokunst bedeuten oder ist das doch dann eher gute gelernte Handwerkskunst. Die Definition ist doch wahrscheinlich in der Betrachtung zu finden. Oder?

Kai Fehler:

Das ist die Überlappung zwischen Abbildung der kalten Realität und Fotokunst in ihrere abstrakten Form. Gut gelernte Handwerkskunst sollte aber immer die Grundlage allen Schaffens sein

 Michael Hiller:

Du siehst ja in deinen künstlerischen Motiven vielfach Figuren oder andere Besonderheiten, die ein nicht geschultes Auge so nicht erkennen würde. Über Photoshop machst du diese Dinge sichtbar. Du holst sie aus dem Versteck der Anonymität. Beginnt da mit Photoshop die Kunst dessen, was hinterher zu sehen ist und was als Kunst zu verstehen ist?

Kai Fehler:

Der Sinn dieser versteckten Figuren ist ja, daß eben ein nicht geschultes Auge sie finden soll. Keine dieser Figuren ist Intention und hat mit Schulung nichts zu tun.
Die Bildbearbeitung mit Photoshop ist ein Werkzeug, um die Vorraussetzungen zu schaffen, die meine Bilder so aussehen lassen, wie sie es tun. Da ich ein sehr visueller Typ bin, achte ich natürlich auf eine gewisse Präsentationsfähigkeit meiner Bilder. Die eigentliche Kunst entsteht aber beim Betrachter.

 Michael Hiller:

Wie hast du für dich entdeckt, dass Fotografie über den normalen Auftrag hinaus auch noch mehr sein kann als das „Abbilden“ von reinen Werbeaufträgen?

Kai Fehler:

Das kommt eher von selber. Wenn man sich mit Fotografie und Bildbearbeitung beruflich befasst, bleibt es nicht aus, daß man ab und zu einfach ein wenig herumspinnt. Dabei entstehen dann Ideen, die man ernsthafter verfolgen kann. Mittlerweile benutze ich auch Elemente dieser Spinnereien in meinen kommerziellen Aufträgen. Meine komplex texturierten Hintergründe entstehen auf ähnliche Weise wie meine Kunst und sind bei Auftraggebern für Flyer oder Plakate sehr beliebt.

 

Michael Hiller:

Jeder hat heute mittlerweile ein Smartphone und wird mehr oder weniger auch ohne große Ausbildung zu einem Fotografen oder Fotokünstler. Verliert die professionelle Fotografie dadurch an Qualität? Die Bildsprache leidet doch dadurch im Allgemeinen, oder?

Kai Fehler:

Die technische Qualität der Fotos, also alles das, was tatsächlich die Kamera macht, ist heutzutage für jeden in den Griff zu bekommen. Smartphones liefern sehr gute Ergebnisse heutzutage. Allerdings bieten die winzigen Objektive keine wirkliche Möglichkeit für Belichtungssteuerung oder gar Variation der Tiefenschärfe.
Fotografie besteht nicht nur aus einem Gerät. Die Kamera macht keine guten Bilder. Das Auge und das Know-How des Bedieners ist wichtig. Und hier trennt sich eben die Spreu vom Weizen.
Allerdings macht es die moderne Technik möglich, auch eigentlich sehr mittelmäßig aufgebaute Fotos zumindest scharf und brilliant sein zu lassen. Das ist für Berufsfotografen ein Problem, weil es einem potentiellen Kunden vielleicht zunächst reicht, Produktfotos mit dem teuren Fotoapparat vom Neffen machen zu lassen. Erst bei näherer Betrachtung und dem Vergleich mit professionellen Fotos wird klar, daß wer billig kauft, zweimal bezahlt.

Michael Hiller:

Wenn du deine Fotos in Photoshop bearbeitest entsteht dabei für dich immer etwas ungewohnt Neues? Überrascht dich das eigene Motiv plötzlich im Rechner?

Kai Fehler:

Der Zufall spielt bei mir eine große Rolle. Selten weiß ich, was passiert, wenn ich mir das Rohmaterial für meine Montagen vornehme. Natürlich habe ich mittlerweile eine gewisse Erfahrung und suche mir mein Material gezielter heraus. Am meisten Spaß macht mir aber, wenn plötzlich etwas total unerwartetes passiert.

 Michael Hiller:

Andy Warhol und Roy Liechtenstein haben die Illustration zu einem Kunstobjekt erhoben. Das, was du mit deinen generierten Fotos ausdrückt, ist ja auch eine plakative Form von Kunst. Gibt es da Anleihen an die beiden Pop Art Künstler oder ist deine Betrachtung zu deiner Arbeit eher zufällig entstanden?

Kai Fehler:

Ich würde es mir nicht anmaßen, mich mit einem der beiden zu vergleichen. Allerdings ist das was ich tue vielleicht eher mit Andy Warhol zu vergleichen, da er ja auch begann, fertige Bilder zu verfremden. Das wäre dann aber tatsächlich nur die Antwort auf die Frage „Warhol oder Liechtenstein?“. Direkt inspiriert wurde ich von niemandem speziellen. Es gibt einen Fotografen, der ein Buch herausgebracht hat, in dem er sich in Wasser spiegelnde Landschaftsfotos präsentiert hat, die auch den Effekt der Pareidolie erzeugten. Das ist schon viele Jahre her und ich habe leider seinen Namen vergessen.

 Michael Hiller:

Photoshop wäre heute vielleicht der Pinsel des modernen Michelangelo. Viele sagen ja, dass die Kunst des Michelangelo reine Handwerkskunst war. Aber wird da nicht seine Fähigkeit des perfekten Sehens und des perfekten Malens als ganzheitliche Betrachtung reduziert auf ein Maß der Mittelmäßigkeit? Wäre er heute mit Photoshop noch das gleiche Genie wie damals?

Kai Fehler:

Leider ist es heutzutage üblich, große Werke aus Unverständnis oder Neid auf die bloße Handwerkskunst zu reduzieren, um die Leistung entweder zu schmälern oder zumindest berechenbar zu machen. Das Argument ist hierbei: „Wenn ich so viel geübt hätte, wie Michelangelo, hätte ich das auch gekonnt.“ Dies ist natürlich ein Irrglaube. Ich bin sicher, daß Michelangelo mit Photoshop immer noch eindrucksvollere Werke hervorgebracht hätte, als viele noch so versierte Bildbearbeiter.

Michael Hiller:

Für viele gehört die bildende Kunst, der klassische Tanz, die Musik und der Film als ganzheitlicher Begriff zur Kunst. Siehst du die Fotografie dort auch? Wie sehr beeinflussen dich die anderen Disziplinen?

Kai Fehler:

Die Fotografie in ihrer künstlerischen Form gehört dazu, hat es aber schwerer, weil der sehr einfache Einstieg durch Smartphone und Konsorten die Qualität verwässert. Tanz und Musik gelten selten als Mittel zum Zweck und haben das Glück in der Erschaffung so aufwändig zu sein, daß sie nicht von jedem mal eben als Ausdrucksform benutzt werden. Ein Urlaubsfoto ist eben schneller gemacht, als ein Musikstück über den Mallorcaurlaub von letztem Jahr.
Der Film teilt schon eher das Problem der Fotografie, da ja auch hier das Smartphone den technischen Zugang erleichtert. Mich selber beeinflussen andere Disziplinen des künstlerischen Ausdrucks ganz außerordentlich. Ich liebe vor allem Musik und Ballett, weil sie bei mir Gefühle und Phantasie viel mehr anregen als der Film, zum Beispiel.

Michael Hiller:

Du lebst in Ostwestfalen. Genauer gesagt in Minden. Wie sehr ist man bei deiner Arbeit als Fotokünstler auf die Nähe zu einer Metropole angewiesen?

Kai Fehler:

Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da ich ja noch nie in einer Metropole gelebt habe. Ich könnte mir vorstellen, daß eine große Stadt mehr Möglichkeiten der Präsentation und des Austauschs bietet. Bisher bin ich aber noch nirgendwo mit meiner Kunst in Erscheinung getreten. Frag mich das nochmal in zwei Jahren, oder so.

Kontakt Kai Fehler:

www.kaifehler.de

Michael Hiller

Kai, vielen Dank für dieses Gespräch. Ich denke, wir werden noch viel von dir sehen

Dieses Gespräch führte Michael Hiller mit Kai Fehler.

vdm Michael Hiller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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