DESIGN/MOBILITÄT: Außen SUV, innen mobiles Zuhause. Der Innenraum des ID.401 bietet viel Platz. Ein Interview mit dem Volkswagen Head of Interior Design Tomasz Bachorski über das neue Wohngefühl im Auto, den gewohnten Sicherheitsanspruch im SUV – und weiße Lenkräder
Herr Bachorski, schon bald werden die ersten vorbestellten ID.401 an Kunden ausgeliefert. Sind Sie den E-SUV schon gefahren? Wie hat es sich angefühlt?
Das Fahrgefühl hat mich begeistert. Es hatte so eine Leichtigkeit, fast wie Musik. Normalerweise ist es ja so: Man steht vor einem Geländewagen, sieht die riesigen Räder und entwickelt schon eine Idee, wie sich das wohl fahren lässt. Beim ID.4 war ich aber völlig überrascht. Das Auto fährt sich viel einfacher und leichtfüßiger als ich geahnt hätte. Super Performance, sehr gute Straßenlage, kleiner Wendekreis, einfach der Hammer – gerade für ein so großes Auto.
Als Head of Interior Design legen Sie besonderes Augenmerk auf die „inneren Werte“ eines Fahrzeugs. Sind sie zufrieden mit Ihrer eigenen Arbeit?
Das ist ja nicht nur meine Arbeit, sondern die eines ganzen Teams. Am Interieur Design arbeiten ungefähr 90 Leute. Bei jedem Auto müssen wir natürlich Kompromisse eingehen, weil es gesetzliche oder technische Vorgaben gibt. Beim ID.4 haben wir aber viele richtig kreative Lösungen gefunden.
Was war in der Innenraumgestaltung die größte Herausforderung?
Die Plattform unserer vollelektrischen Fahrzeuge ermöglicht es, das Platzangebot des Innenraums maximal zu nutzen. Da die Hochvolt-Batterie als flacher Block unter der Fahrgastzelle liegt und alle weiteren Technik-Komponenten wenig Bauraum beanspruchen, ist der ID.401 so geräumig wie ein konventioneller SUV der nächstgrößeren Klasse. Unsere Hauptintention beim Interieur war es daher, diesen großen Raum zu betonen. Raum, den kein Verbrenner darstellen kann. Es war uns wichtig, ein Wohngefühl zu vermitteln. Auf der anderen Seite mussten wir das Thema Sicherheit beachten. Die Menschen fahren ja SUVs, weil sie hier ein anderes Sicherheitsgefühl haben. Das wollten wir nicht durch gestalterische Metaphern verlieren, sondern im Gegenteil: Den Raum zeigen und gleichzeitig die Sicherheitsaspekte unterstreichen, Geborgenheit vermitteln.
Mal ganz allgemein gefragt: Was macht „gutes“ Innenraum-Design für Sie aus?
Mir persönlich sind Fahreigenschaften sehr wichtig. Dazu gehört auch, wie ich das Auto während der Fahrt bedienen kann. Ein gutes Innenraum-Design darf nicht kompliziert sein. Die Welt da draußen ist schon kompliziert genug. Die Bedienung muss intuitiv sein, genauso wie bei Smartphones. Oder die Ablageflächen: Im Laufe der Nutzungszeit füllen sie sich immer mehr. Aber auch bei vollen Ablagen muss die Grundästhetik stimmen: Das Auto darf nicht schmutzig aussehen. Das muss in der Raumarchitektur drin sein. User Experience, Sicherheitsgefühl und Ästhetik sollten im Einklang sein.
Das Auto wird zum Smart Device. Was bedeutet das fürs Interior Design?
Früher wollte der Kunde alle Funktionen, die er sich leisten konnte, auch zeigen. Deshalb gab es für alles eine Taste. Heute ist das anders. Das Auto macht vieles von selbst, man braucht nicht für jede Funktion eine Taste. Die jungen Menschen sind ohne Knöpfe aufgewachsen.
Werfen wir einen Blick in den ID.4: Was macht seinen Innenraum aus?
Die Gesamtanmutung ist das Besondere, eine Kombination aus vielen Details und Flächen. Schon im Exterieur zeichnet sich das Design durch seine Andersartigkeit aus. Wenn man dann die Tür öffnet, wird man auch vom Interieur überrascht. Wir haben einen sehr modernen Innenraum geschaffen. Ich sage bewusst nicht Cockpit, sondern Innenraum. Sehr groß und luftig – wir nennen es Open Space –, aber auch ein Stück weit vertraut, um alle Kunden mitzunehmen.
Man sagt ja häufig: Kein Verbrenner-Motor, kein Kardantunnel, kein Tank. Jetzt kennt das Interior-Design plötzlich keine Grenzen mehr – oder gibt es doch noch Restriktionen?
Es gibt natürlich sehr viele Gesetze, vor allem Crash-Anforderungen, die muss man erfüllen. Häufig sind das Raumfresser. Eine Fläche muss nah an den Knien oder Beinen sein, um alle gesetzlichen Vorgaben für den Crashfall zu erfüllen. Wir bei Volkswagen übertreffen diese Vorgaben noch, um wirklich maximale Sicherheit zu gewährleisten. Auf der anderen Seite wollen wir den maximalen Raum zeigen. Das ist natürlich spannend.
Der ID.4 ist das zweite Serienfahrzeug aus der ID. Familie: Was sind typische Design-Elemente?
Zuerst einmal möchte ich die tolle Raumwirkung insgesamt betonen. Die hochwertigen Materialien, die Haptik, die Nähe: All das verleiht dem ID.4 ein modernes und attraktives Raumgefühl. Ein ganz typisches Design-Element bei den ID. Fahrzeugen ist die Instrumententafel. Wir haben sie wie eine Tragfläche gestaltet. Sie integriert alle Funktionen und alle digitalen Geräte – ob es das große Display in der Mitte oder das fantastische AR-Head-up-Display ist. Die Instrumententafel ist in allen Fahrzeugen der ID. Familie ganz schlank, dadurch erreichen wir eine sehr große Leichtigkeit. Sie wirkt fast wie eine fliegende Skulptur, die zwischen den Türen eingeschoben ist. Einen Fokus haben wir auch auf die Mittelkonsole gelegt. Da haben wir viel mehr Staumöglichkeiten und mehr Funktionalität reingebracht, ohne auf eine Wertigkeit des Materials zu verzichten. Wir haben große Ablagen mit unterschiedlichen Aufteilungsmöglichkeiten, Divider, Cup-Holder zum Rausnehmen. In dem Zusammenhang haben wir uns das Thema Handy sehr genau angeschaut. Es gibt Länder, da darf man das Handy nicht sehen, wenn es in der Mittelkonsole liegt. Aber es gibt auch Länder, da wollen die Kunden genau das und dürfen es auch. Wir müssen viele spezifische Anforderungen aus den Märkten berücksichtigen, denn der ID. 4 ist ein echtes Weltauto. Auf dem chinesischen Markt ist zum Beispiel das Thema Wertigkeit und Ambiente-Licht sehr wichtig. Und zu guter Letzt ein Element, das ich nicht vergessen will: Die modernen Sitze im ID.4. Sie sind einerseits komfortabel, andererseits aber auch sportlich.
Viel Raum, Leichtigkeit, Wohngefühl: Welche Rolle spielt dabei die Farbigkeit?
Darüber haben wir sehr viel diskutiert. Zu Hause haben die meisten von uns einen hellen Fußboden aus Holz, Laminat oder einen Teppich. Beim Auto nicht. Dort ist der Teppich dunkel, weil man den Dreck nicht sehen möchte. Wir wollten das ändern und die Leichtigkeit von zu Hause auch ins Auto bringen. Weniger Fahrerarbeitsplatz, mehr mobiles Zuhause.
Kritiker sagen, weiße Lenkräder werden aber schmutzig.
Dunkle Lenkräder werden bei sehr langer Nutzung genauso schmutzig, man sieht es nur nicht. Gerade bei der heutigen Hygiene-Diskussion reinigen die Meisten ihre Innenräume regelmäßig. Und es vermittelt einfach einen ganz anderen Eindruck, wenn ein Display im Auto die gleiche Ästhetik hat wie das Tablet zu Hause. Für viele junge Leute ist es selbstverständlich, dass ihr Tablet weiß ist. Wir haben zu den Farben bisher sehr gute Feedbacks erhalten. Selbstverständlich haben wir alles auch in dunkler Ausführung, der Kunde kann also frei wählen.
Was unterscheidet Volkswagens ersten Elektro-SUV von den traditionellen SUVs?
Die Autos sind außen relativ groß, haben aber vergleichsweise wenig Innenraum, weil viel Technik verkleidet ist. Auch im ID.4 steckt sehr viel Technik, aber weniger sichtbar. Für uns Designer ist das immer eine große Herausforderung: Die Autos sollen einerseits voller moderner Technik stecken, aber wir müssen die Fahrzeuge andererseits so gestalten, dass man die Technik nicht sieht. Ich sage immer aus Sicht des Designs: Die beste Technik ist immer die, die man nicht sieht.
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virtual design magazine Michael Hiller