Klein und süß? Oder groß und mächtig?

KULTUR/KOLUMNE: Manchmal sieht man sie noch, die kleinen und charaktervollen Kleinwagen aus den 50er und 60er Jahren. Mr. Bean fuhr so einen. Einen Mini, der wirklich „mini“ war und der trotzdem innerhalb dieses kleines Gehäuses überraschend viel Platzangebot parat hatte. Und natürlich genauso viel Charme besaß. Von den Befindlichkeiten der Technik gegenüber heutigen modernen Autos werde ich jetzt nicht sprechen. Irgendwie ist das nicht so richtig vergleichbar. Ich möchte einfach nur mal ein paar Gedanken loswerden zur neuen Gestaltungsphilosophie der alten neuen Klassiker.

Wobei wir auch gleich bei der Frage sind: Haben die neuen Modelle à la Mini und Fiat 500 zum Klassiker in den nächsten 30 Jahren das Zeug? Oder wird durch eine zu emsig betriebene Modellpolitik  aus einem guten Gedanken, klassische Kleinwagen durch Wiederbelebung mit den neuen Technikgenen und der dazugehörigen (meist schon in Überdosis) angewendeten Portion Design wieder neue Charmeklassiker zu schaffen, eine nicht mehr verstehbare Gestaltungsphilosophie? Zu beobachten war anfangs ganz klar: Der Weg scheint richtig zu sein. Der damals neue wiederbelebte Mini war schon größer als sein Vorgänger zu Zeiten von Schirm, Charme und Melone. Vollkommen korrekt! Schön gestaltet auch in den Details! Allerdings hatte er noch keine Dimension der Größe in der Parklücke erreicht, wo selbst ein Golf schon wie Zwerg gegenüber aussieht. Ähnliches war auch zu beobachten im Süden von Europa.

Ein 500er Fiat mit viel Charme und ohne Starallüren!

Der Fiat 500 war das Auto für den kleinen Geldbeutel und fuhr durch Italien, wo Dolce Vita wirklich noch Dolce Vita war. Eine Diva konnte damit durch Rom flitzen genauso wie der Geschäftsmann mit weißem Hemd und Manschettenknöpfen. Das Auto passte in allen Lebenslagen. Auch hier ist der erste generierte Designversuch, den Winzklassiker neu zu interpretieren und diesen auf seine kleinen Reifchen zu stellen, seinerzeit durchaus gelungen.

Noch alles richtig gemacht! Die Interpretation ist gelungen und eigentlich hätte man hier an dieser Stelle im Design der Größenfindung aufhören müssen.

Was dann allerdings in den darauf folgenden Jahren passierte, schockierte mich zutiefst.

Mutierte 500er Minivans, die in der Seitenansicht mit dem Klassiker genauso viel zutun haben wie ein MAN Lkw (außer dem Namenschild 500 auf der Heckklappe) und 500er Crossover, neben denen ein Mercedes Kombi fast verschwindet, können nicht des Weisheits letzter Schluss sein. Wo ist da was schiefgelaufen? Mittlerweile werden jetzt immer mehr die noch so letzten Restbestände an Designfragmenten weggeschliffen durch eine lichtgeschwindigkeitsartige Modellpolitik. Es wird immer dramatischer und aus den Kulleraugen der damaligen Modelle wird jetzt immer mehr der sogenannte „böse Blick“. Das Sympatische verschwindet und wird ersetzt durch eine für den Designprozess angeblich notwendige Gestaltungssprache, die aus dem technologisch Möglichem das meist Meistbietenste heraussucht. Zeitgemäß oder einfach nur fatal? Die Designer arbeiten dabei nach einem Briefing und Pflichtenheft und können sich in diesem Rahmen mehr oder weniger großflächig bewegen. Vielmehr liegt in meiner Beurteilung einer kommenden Formensprache das genaue Beurteilen der Fragestellung: Was erwartet man von einem Retroklassiker der Zukunft? Eine Fortsetzung der Geschichte, die jeder auch nach 30 Jahren noch versteht oder nur eine kurzweilig temporäre Zeiterscheinung, welche das Auto der Vergangenheit in seiner ursprünglichen Form nur noch über einen Zeitraum X erkennen lässt, um es dann in den Tiefen der gesichtslosen Mainstream-Designmasse verschwinden zu lassen.

Ich persönlich halte es für sehr empfehlenswert, einfach mal ein paar Meter zurückzugehen, um den zukünftigen Entwurf für die Zukunft mit dem Auge eines Malers zu betrachten. Wann ist das Bild fertig? Oder wann ist es kaputt gemalt? Abzuwarten und zu betrachten tut manchmal sehr gut. Denn nicht alles, was designtechnisch möglich ist, ist auch sinnvoll, es anzuwenden. Manchmal verschluckt sich der Entwurf, dass Design dabei, und die weiteren Modelle danach schleppen dann Gestaltungsfehler mit in eine Dimension der Zukunft, wo Automobildesign nicht nur keinen Charme mehr besitzt, sondern nur noch schlechten Geschmack. Und das würde ich sehr schade finden!

Übrigens sehr sehenswert sind die Retroentwürfe von David Obendorfer!

www.davidobendorfer.com

Autor: Michael Hiller

virtualdesignmagazine

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