Wohnen bewegt sich heute zunehmend außerhalb des 08/15-Bereichs. Das spiegelt sich nicht nur in der Formgebung der Möbel und in der Verwendung außergewöhnlicher Materialien wider, sondern auch in den Größendimensionen.
Der Trend zur XXL-Sofalandschaft mit extra-tiefem Sitzkomfort hat ja schon seit ein paar Jahren Platz gegriffen, doch nun kommen als Gegenpol zum Maxi-Format auch wieder vermehrt kleine Sofas und Cocktailsessel in Mode. Mal ganz modern, mal als Mini-Ausgabe der Sitzsack-ähnlichen Lounge-Möbel oder aber ganz bewusst im Retro-Design empfehlen sich die Kleinausgaben als Raumsparwunder oder elegante Tupfer im angesagten Stilmix. Besonders die 50ies und 60ies dienen hier als Vorbild. Quasi in Ergänzung hierzu bringen einzelne Marken auch extra breite oder tiefe Versionen der kleineren und niedrigeren Lounge-Stühle und –Sessel heraus.
Große Möbel schaffen Raum im Raum
Doch während kleine Möbel für kleine Wohnungen eine durchaus sinnvolle und zukunftsorientierte Alternative darstellen, laufen sie bei Trendsettern eher unter der Rubrik Kurioses. Formales Understatement ist gern gesehen, altbackene Bescheidenheit wird jedoch nicht geduldet. Daher gilt: Wer den Platz hat, wählt zumindest den Esstisch in einer Party-geeigneten Größe, um jedes Dinner zum geselligen Ereignis machen zu können. Da dürfen es auch schon mal zehn bis zwölf Sitzplätze sein. Da die klassische Sitzecke bei Design-Fans nicht so hoch im Kurs steht, gibt es auch für diese exklusive Geschmacksrichtung erste gepolsterte Solisten in raumfüllendem Maßstab. „Wenn schon, denn schon“ lautet hier das Motto, je größer, desto besser.
Disproportionalität wird zum Gestaltungsprinzip
Wie um das Größenwachstum zu betonen, werden Sitz- und Rückenhöhe disproportional entwickelt: Je größer der Sessel, desto niedriger die Sitzhöhe. Outdoor-Möbel und Möbeltypen wie etwa der von Designern wiederentdeckte Windsor-Stuhl zeigen besonders deutlich die neue Lust am Spiel mit den Proportionen.
Auch Accessoires und Leuchten unterstützen immer öfter den Trend zur Disproportionalität: Riesige Bogenlampen schaffen Wärme-Inseln in Loft-ähnlichen Räumen, Kissen in XXL-Masche bedecken niedrige kleine Hocker, Tischlampen werden in vergrößerter Dimension zu Bodenlampen, zierliche kleine Couchtische – gerne auch als Gruppe – unterstreichen als Begleiter von massigen Mammut-Sofas deren urtümliche Ausmaße. Oder bieten als niedrige, aber mit übergroßem Durchmesser ausgestattete Flächen mehr Platz als nötig für winzige Espresso-Tassen und Pokal-ähnliche 1-Liter-Weingläser.
Ein bisschen wie in „Alice im Wunderland“
Dabei geht es nur zu einem Teil um das Finden einer neuen, außergewöhnlichen Ästhetik. Der Trend zum Großmöbel spiegelt sowohl den Wunsch nach einem offeneren, Loft-ähnlichen Wohnstil wider als auch die Sehnsucht nach Geborgenheit. Große Tische werden erst gebraucht, seitdem die Wohnung und die Küche zum geselligen Lebensmittelpunkt geworden sind. Und die Dominanz des großen Einzelsofas gegenüber der klassischen, um einen Mittelpunkt angeordneten Sitzecke ist ein Niederschlag des angestiegenen Medienkonsums und der technischen Aufrüstung im Home-Entertainment.
Dieser Wandel in Ästhetik und Wohnform wird auch in der Designszene diskutiert. So beschäftigt sich Louise Campbell in ihrer auf der nächsten imm cologne zu sehenden Ausgabe von „Das Haus – Interiors on Stage“ mit der Bedeutung von Maßen und Größenverhältnissen in unserer Wohnkultur. Wie in „Alice im Wunderland“ führt die dänische Möbel- und Lichtdesignerin die Besucher in eine Wohnwelt, in der 40 Meter lange Betten und überlange Küchen-/Ess-/Arbeits-Tische sowie gerasterte, offene Räume neue Perspektiven auf die Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten des Wohnraums eröffnen sollen.
Quelle: imm cologne/Kölnmesse