Offenheit und Flexibilität“ Ein Gespräch mit den Berliner Architekten Georg Gewers und Henry Pudewill über aktuelle Tendenzen im Wohnungsbau

Herr Gewers, Herr Pudewill, Sie arbeiten derzeit unter anderem an größeren Wohnprojekten in Berlin. Wie haben sich – durch neue Lebensauffassungen oder etwa Konzepte wie Mehrgenerationen- und barrierefreies Wohnen – die Anforderungen an Wohnungen generell verändert?
Georg Gewers: Als Architekten, die auch im Wohnungsbau zu Hause sind, freut es uns natürlich, dass die aktuellen Wohnvorstellungen viel stärker als etwa noch vor zehn Jahren von Offenheit, Flexibilität und Großzügigkeit bestimmt sind. Dies entspricht unserem Denken von Stadt, Häusern und Räumen. Townhouses, Lofts, Maisonetten, Hybridhäuser und riesige Dachterrassen stoßen nicht nur bei jungen Menschen auf starkes Interesse. Es sind die flexible Architektur, die hohen Decken, die offenen Raumkonzepte und viele Dinge mehr, die je nach Lebensphase adaptierbar, veränderbar und umnutzbar sind.
Inwieweit spielt die zunehmend geringere Abgrenzung zwischen Wohnen und Arbeiten eine Rolle?

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Georg Gewers, Henry Pudewill Copyright: © Udo Hesse

Henry Pudewill: Die heutigen Lebensmodelle etwa von Freiberuflern fordern das Arbeiten und Wohnen unter einem Dach – so entstehen neue experimentelle Gebäudetypologien wie die „Hybrid Houses“, die man beispielsweise im Rahmen der Hamburger IBA exploriert hat.
Sie sind auch im Bereich der Einfamilienhausarchitektur tätig wie im Falle der jüngst preisgekrönten „Villa Potsdam“. Wo liegen hier die größten Herausforderungen und Potenziale?
Henry Pudewill: Bei einem Haus, das eigens für sehr individuelle Bewohner gedacht und gebaut wird, kommt die Aufgabe einem Maßanzug gleich, der sehr viele Anproben benötigt. Es muss räumlich, aber auch inhaltlich und atmosphärisch gut bemessen sein und im besten Falle die individuellen Wünsche und Themen des Bewohners voranbringen. Entsprechend handelt es sich immer um eine sehr persönliche Arbeit für beide Seiten, und wichtigste Grundlage sind Vertrauen, Offenheit und Respekt. Ein schöner Aspekt kleiner Bauvorhaben ist neben den sehr individuellen Möglichkeiten auch die Chance, zu experimentieren oder auch neue Materialien oder Techniken auszutesten.

Inwieweit lassen sich bei Projekten im Villenbereich räumliche oder technologische Prinzipien erkunden, die auf größere Wohnprojekte übertragbar sind?
Georg Gewers: Eine Vorreiterfunktion haben sie in diesem Sinne eigentlich nur wenig, obwohl wir das selbst auch suchen. Die Nutzung, die Funktionen und vor allem die soziale Ausrichtung eines Geschoss- oder Mietwohnungsbaus gegenüber einem freistehenden individuellen Objekt zum Wohnen – mit einem Nutzer – könnten verschiedener nicht sein. Daher gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten. Bei Themen des Designs und der Oberflächen gibt es Ansätze, doch meistens scheitert es am Budget für die größeren Wohnkonzepte, wenn man daran denkt, interessante Lösungen aus dem Villenbau zu transferieren. Aber es geht beim Mietwohnungsbau auch um eine andere Aufgabe – eine sozial und gesellschaftlich sehr wichtige, die viel mehr Menschen betrifft und beeinflusst als ein kleines Haus am Stadtrand.
Kurzvita
Das von Georg Gewers und Henry Pudewill geführte Architekturbüro Gewers Pudewill in Berlin verbindet eine klar strukturierte, moderne Architektur mit experimentellen Untersuchungen im Bereich Materialität, Technologie und Formensprache. Schwerpunkte liegen auf Büro-, Wohn- und Kulturbauten sowie im Städtebau. Zu den jüngsten Projekten zählt neben zahlreichen Wohnbauten u.a. die Zentrale des Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland in Berlin. Die Projektgemeinschaft White Sky Group | Gewers Pudewill gewann zudem den Wettbewerb für ein auf 160.000 Bewohner ausgelegtes städtebauliches Großprojekt in Mekka, Saudi-Arabien.

www.gewers-pudewill.de

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