INTERVIEW: München. Edgar Heinrich leitet seit Juni 2012 den Bereich BMW Motorrad Design. Der in Freising, nahe München, geborene Industriedesigner verantwortet die komplette Gestaltung aller Motorräder der BMW Group sowie der Fahrerausstattung und des Zubehörs. Als passionierter Motorradfahrer ist Heinrich bei seiner Arbeit stets darauf bedacht, eine perfekte Symbiose zwischen Fahrer und Maschine zu schaffen. Die Proportionen der Motorräder, die Materialauswahl sowie die Anordnung und das Design der technischen Details stimmt er dabei genauestens auf das segmentspezifische Einsatzgebiet und das individuelle Fahrerlebnis ab.
Ausbildung und Karriere: Passion als Konstante.
Der Designer entwickelte schon früh eine Leidenschaft für das Zeichnen und Entwerfen von technischer Mobilität. Im Fokus seines Interesses standen dabei Motorräder und große Nutzfahrzeuge. So entwarf er bereits in der Schulzeit unter anderem Skizzen von selbstkreierten „Rally-Panzern“, Formel 1-inspirierten Fahrzeugen mit Gleisketten sowie Maschinen mit Beinen, sogenannte „Walkers“. Nicht nur die Gestaltung der Fahrzeuge, sondern auch die Technik faszinierten ihn: Als 15-Jähriger baute er gemeinsam mit seinem Bruder Autos und Motoren um und begann als 17-Jähriger mit seinem Motorradführerschein. Sein erstes eigenes Motorrad, eine Suzuki T250, besaß er zu diesem Zeitpunkt bereits.
Nach seinem Schulabschluss studierte Heinrich zunächst Architektur in Rosenheim und verfeinerte dort seine Zeichentechniken. Bei einem Besuch in München entdeckte er die Fachhochschule für Industriedesign und beschloss, seine Studienrichtung zu wechseln.
Zu BMW Motorrad kam Edgar Heinrich im Jahr 1985, direkt nach seinem Industriedesign-Studium, ebenfalls auf unkonventionelle Art und Weise: Er suchte einen Sponsor, der ihm Motorradteile für seine Diplomarbeit zur Verfügung stellte. Im Gegensatz zu seinen Studienkollegen, die Miniatur-Modelle von unterschiedlichen Produkten gestalteten, entschied sich Heinrich für ein reales Motorrad-Modell, das er in der Garage seiner Eltern gestaltete, schweißte und zusammenbaute. Mit Erfolg: BMW Motorrad stellte ihm nicht nur Materialien zur Verfügung, sondern lud ihn auch ein, sein Motorrad-Design dem damaligen Leiter der Design-Abteilung, Klaus Volker Gevert, persönlich zu präsentieren. Kurz darauf erhielt er einen Vertrag für eine freie Mitarbeit, ein Jahr später folgte die Festanstellung im Design-Team von BMW Motorrad. Seitdem bleibt der leidenschaftliche Zeichner und Bastler BMW treu. Mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung, von 2009 bis 2012 bei Bajaj Auto Ltd. in Pune, Indien, absolvierte er bei den Bayerischen Motorenwerken seine komplette berufliche Laufbahn – vom Jungdesigner zum Seniordesigner (1992) über die Leitung des Fahrzeugdesigns (2005) bis hin zur Gesamtleitung (2012).
Seine Philosophie: Form Follows Emotion.
Motorrad zu fahren ist für Edgar Heinrich mehr als eine Mobilitätsform. Neben dem spürbaren Fahrerlebnis spiegelt es einen persönlichen Lebensstil wider. Im Mittelpunkt des Designs steht deshalb der Fahrer selbst. Für Heinrich ist es besonders wichtig, jedes neue Design auch emotional zu erleben, indem er das Modell nicht nur von allen Blickwinkeln betrachtet, sondern es auch testet, um Sitzposition, Haltung und das Gefühl für das Fahrzeug zu erleben. Mitentscheidend ist für Heinrich ebenfalls die Entwicklung der richtigen, das heißt zum Segment passenden, Fahrerausstattung.
Anders als beim Automobildesign besteht ein Motorrad aus zahlreichen, sichtbaren technischen Details. Aus diesem Grund arbeiten die Ingenieure und Designer bei BMW Motorrad von Beginn an zusammen. Dies setzt ein sehr gutes Verständnis und Detailwissen zur Funktion des Motorrads bei den Designern voraus. Heinrich legt besonderes Augenmerk auf die authentische Visualisierung der Produkteigenschaften. Technik und Ästhetik sollen zu einer Komposition verschmelzen. Jede kleine Schraube bis hin zu der Größe des Tanks tragen zu dem stimmigen Gesamteindruck bei. Unter seiner Federführung entstanden neben vielen anderen Modellen der Sportboxer BMW R 1100 S, das Naked Bike BMW K 1200 R sowie die Reiseenduro-Ikone BMW R 1200 GS. Eine besondere Herausforderung stellt auch die Entwicklung von diversen HP-Modellen oder Rally-Motorrädern, die neben den Standartabläufen entstehen, dar.
Seine Arbeitsweise: Teamwork aus Erfahrung.
Sein Handwerk lernte Edgar Heinrich bei BMW Motorrad Design von Grund auf. Er kennt die Arbeitsprozesse und Herausforderungen des Design-Teams aus eigener Erfahrung, weiß wie viel Zeitaufwand er einplanen und wie er die Aufgabenstellungen formulieren muss. Dieses natürliche Grundverständnis ist das Fundament für die reibungslose und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen ihm und seinem ca. 30-köpfigen Team. Dabei setzt Heinrich stets auf persönliche Gespräche am Arbeitsplatz. Er erkennt auf den ersten Blick, ob eine Skizze in die gewünschte Richtung geht oder sich zu sehr von der Aufgabenstellung entfernt, so dass er seinen Mitarbeitern schon während der Gestaltungsfindung richtungsweisende Ideen und Impulse geben kann. Seine große Leidenschaft gilt der ersten Formfindung sowie der Anordnung und Materialauswahl der einzelnen technischen Details. Dabei gilt Heinrich nicht nur als Experte seines Fachgebiets, sondern auch als meisterhafter Stratege, bei jedem Design darauf bedacht, eine perfekte Harmonie aus Emotion, technischer Innovation, Markenversprechen sowie Ästhetik zu schaffen.
Persönliches.
Edgar Heinrich beschreibt Motorräder als „the biggest accessory you can wear“, denn die Wahl des Motorrads sagt viel über den Fahrer aus. Und wenn Heinrich verreist – dann am liebsten mit dem Motorrad. Dabei interessieren ihn auf seinen Fahrten die jeweiligen Unterschiede in den Kulturen, speziell auch in den Motorradkulturen. Besonders gerne fährt er nach Italien, seiner Meinung nach die ideale Kombination aus aufregenden Straßen, gutem Wetter, feinem Essen und allgegenwärtigen Kulturschätzen. Eine besondere Faszination üben die Architektur italienischer Kirchen sowie die Prachtentfaltung in den Gemälden der Renaissance auf ihn aus. Auf seinen Touren fährt Edgar Heinrich hauptsächlich GS Enduro Maschinen. Er schätzt prinzipiell alles mit „Winterreifen“, also Enduros, Scramblers, Trials, Ralleys sowie auch Wüstendurchquerer. Zu seiner Leidenschaft gehört das Umbauen von Motorrad-Modellen. Sein privater Fuhrpark besteht aus 16 Motorrädern – die meisten sind customized oder selbst restaurierte Oldtimer. Am liebsten würde Heinrich in einer überdimensionalen Garage leben, damit er mit nur einem Handgriff frischen Kaffee kochen und einen Ölwechsel tätigen kann. Edgar Heinrich lebt mit Frau und drei Kindern in der Nähe von München.
BMW PR
virtual design magazine Michael Hiller
Ein Beitrag aus 2014 über das Arbeiten in der Designabteilung von BMW
BMW „Concept Roadster“ / Einblick in die Design-Abteilung bei BMW